Behinderung und Entwicklungs­zusammen­arbeit e.V.

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Evaluierung der inklusiven Bildungsmaterialien „Blaues Wunder“ und „echt gerecht?!“

Im Folgenden Bericht werden die Ergebnisse einer Evaluation der beiden inklusiven Bildungsmaterialien für Grundschulen von Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V. (bezev) vorgestellt. Bei der Evaluation geht es vor allem darum, aus den Erfahrungen mit den bereits bestehenden inklusiven Materialien („Blaues Wunder“ und „echt gerecht?!“) zu lernen und diese Erkenntnisse in die Entwicklung neuer inklusiver Bildungsmaterialien zum Globalen Lernen einfließen zu lassen.

Die Datenerhebung erfolgte zum einen durch die Auswertung einer Masterarbeit, die sich anhand eines aufgestellten Kriterienkatalogs dem Bildungsmaterial „echt gerecht?!“ widmet. Zum anderen wurden Daten mithilfe eines leitfadengestützten Interviews erhoben. Die Fragen des Leitfadens wurden auf Basis verschiedener Theorien zusammengestellt. Einbezogen wurden im Feld der entwicklungspolitischen Bildung die Handreichung „Qualitätskriterien für entwicklungspolitische Bildungsarbeit“ (VENRO 2021) sowie Kriterien zur Evaluation von Bildungsmaterialien zum Globalen Lernen der schweizerischen Stiftung Bildung und Entwicklung. Im Bereich Inklusion wurden Arbeiten von Georg Feuser und Hans Wocken sowie die Guidelines zum Universal Design for Learning herangezogen.

Insgesamt wurden so 36 Fragen, einige mit Unterfragen, entwickelt. Die Datenerhebung fand von Mitte Mai bis Anfang Juni statt. Es wurden insgesamt sechs Interviews geführt. Die Dauer der Gespräche variierte mit einer Länge zwischen 35 und 80 Minuten. Da die Bildungsmaterialien bei den befragten Personen unterschiedlich angewendet wurden, weisen die Aussagen zum Teil deutliche Unterschiede auf. So haben manche Gesprächspartner*innen sich dem Material eher theoretisch als praktisch genähert oder behandeln die Themen als externe Bildungsreferent*innen mit wechselnden Klassen.

Allgemeine Informationen zu den befragten Personen

Die befragten Personen haben unterschiedliche berufspraktische und pädagogische Vorerfahrungen. Vier Personen haben ein Lehramtsstudium abgeschlossen (im Folgenden LP genannt), davon sind zwei als Lehrer*innen bzw. als Schulleitung tätig. Eine weitere Person hat lange Zeit als Lehrerin gearbeitet und sich dann fortbilden lassen, um jetzt in der Lehrer*innen-Weiterbildung im Bereich BNE für MINT-Fächer tätig zu sein. Eine Person arbeitete nach ihrem Abschluss an der Universität und widmet sich der BNE-Thematik eher aus theoretischer Perspektive. Eine der befragten Personen war in die Entstehung der Bildungsmaterialien einbezogen und wendet sie immer wieder in ihren Klassen an. Diese LP kann somit eine Bilanz ziehen zwischen der angedachten Konzeption und der praktischen Umsetzung. Die beiden weiteren Personen, die keine pädagogische Ausbildung abgeschlossen haben, besuchten Weiterbildungen und sind seit vielen Jahren als Bildungsreferent*innen für Globales Lernen in sozialen Vereinen tätig (Im Folgenden externe LP genannt).

Die Zielgruppen der interviewten Personen sind vielseitig, da sich jedoch diese Evaluierung auf die Bildungsmaterialien „Blaues Wunder“ und „echt gerecht?!“ konzentriert, haben sich die befragten Personen meist bei ihren Ausführungen auf die Zielgruppe dieser Materialien beschränkt. Diese sind Grundschulkinder mit und ohne zusätzliche Unterstützungsbedarfe. 

Aufmerksam geworden auf das Material sind die befragten Personen meist über das Internet-Portal Globales Lernen,Eine Welt Internet Konferenz (EWIK), betreut durch den World University Service (WUS). Der Bezug der Bildungsmaterialien wurde von allen als problemlos bezeichnet.

Im Folgenden wird zwischen den Materialien „echt gerecht?!“ und „Blaues Wunder“ unterschieden, da nicht alle befragten Personen mit beiden Bildungsmaterialien gearbeitet haben. Alle Aussagen wurden durch die sechs Lehrpersonen oder die Verfasserin der Masterarbeit getätigt. 

Blaues Wunder

Entsprechend des konzeptionellen Ansatzes wurde das Bildungsmaterial überwiegend für die Durchführung in der 3. und 4. Klassenstufe empfohlen. Einzelne, stark handlungsorientiere Module könnten aber auch schon ab Klasse 2 eingesetzt werden. Auch in der Jahrgangstufe 5+6 kann das Material noch gut verwendet werden. Vor allem das Modul zu virtuellem Wasser oder die Experimente mit Bezug zum Fach Chemie sind hier denkbar.

Die optische Gestaltung wurde als sehr zielgruppengerecht empfunden. Es sind viele gut verständliche Bilder und „Eyecatcher“ vorhanden, die zum Kopieren in schwarz-weiß und in Farbe zur Verfügung stehen. Ebenfalls hervorgehoben, wurde die Qualität der Grafiken, die auch immer in reduzierten Varianten verfügbar sind, um einer eventuellen Überforderung der Schüler*innen entgegenzuwirken. Die optische Gestaltung wird allgemein als altersgerecht empfunden. Hinsichtlich sprachlicher Kriterien (Wortwahl) wird das Bildungsmaterials als in Teilen etwas zu kompliziert für die Zielgruppe beschrieben. Auch gab es die Rückmeldung, dass für die Klassen 1-3 der Inhalt zum Teil zu viel und zu kompliziert ist. Jedoch wurde ebenfalls betont, dass durch die vorhandenen Adaptionen eine gute Differenzierung entsprechend den Bedürfnissen der Schüler*innen möglich sei. Bezogen auf die Textmenge gab es ebenfalls die Rückmeldungen, dass es Kindern in den genannten Jahrgangsstufen teilweise schwer fällt, einen Sachtext von einer halben Seite zu lesen und zu verstehen. Hier wurden daher folgende Anregungen gegeben:

  • die Texte nicht zu lang gestalten und in Abschnitte unterteilen
  • die wichtigsten Punkte farbig oder durch stilistisch (fett, unterstrichen) hervorheben und 
  • den Inhalt ebenfalls in einer Grafik darstellen.

Es wurde auch betont, dass durch die Adaptionen die Materialien gut an die unterschiedlichen Lesebedürfnisse angepasst werden können. Die Handhabung des Materials für die Kinder wurde als gut empfunden, einige Kinder brauchten jedoch immer Unterstützung, was auch bei diesem Material der Fall ist. 

Die Gestaltung wurde von den LP als insgesamt gut bewertet. Aufbau und Gliederung waren nach kurzer Eingewöhnung gut verständlich. Es war immer klar, welche Aufgaben zu welchem Modul gehören. Die Sachinformationen zu Beginn seien gut aufgearbeitet, so dass die LP sich diese Informationen leicht selbst erarbeiten konnten. Es wurde die Möglichkeit erwähnt, diese Sachinformationen zum Teil kürzer zu gestalten oder eher durch Stichpunkte zu ersetzen, da die Lehrer*innen zum Teil nur wenig Zeit zum intensiven Lesen haben. Kurze didaktische Hinweise, wieso die Inhalte gelernt werden, wurden ebenfalls als hilfreich befunden. Es wurde als gut empfunden, dass die einzelnen Module unabhängig voneinander behandelt werden können, somit ist auch eine Anwendung in den späteren Jahrgangsstufen möglich, in denen die Kinder manche Inhalte gegebenenfalls besser verstehen. Auch die Handhabung der CD wurde als intuitiv und verständlich beurteilt. Die Informationen zu den unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen seien ebenfalls verständlich und gut. Auch wurden sie als sehr hilfreich empfunden, um auf die einzelnen Kinder differenziert eingehen zu können. Die Beispielmöglichkeiten für jeden einzelnen Unterstützungsbedarf seien demnach sehr gut und verständlich verfasst. Es wird als sehr positiv wahrgenommen, dass diese vorhanden sind und so die Lehrer*innen darüber mehr erfahren können. Die Materialkiste wurde von einer LP gekauft. Die LP, die Fortbildungen für Lehrer*innen organisiert, hat für den Standort Rheinland-Pfalz zwei Materialkisten gekauft. Diese wurden jedoch noch nicht von den Lehrer*innen, die die Fortbildung zum Bildungsmaterial besucht haben, ausgeliehen. Die hohen Portokosten wurden als Grund angegeben. Die LP hat sich allerdings intensiver mit der Materialkiste auseinandergesetzt und empfand sie als weniger übersichtlich. Sie würde sich eine Unterteilung in Fächer für die Materialien wünschen. So können die Kinder auch beim Aufräumen helfen und es wäre direkt erkennbar, wenn etwas fehlen würde. Darüber hinaus ist die Plastikkiste als wenig nachhaltig und ansprechend empfunden worden. Sie empfiehlt die Verwendung von Recyceltem Kunststoff oder Holz und deutet auf eine mögliche Kooperation mit Werkstätten für Menschen mit Behinderungen hin, die solche Holzkisten herstellen und bekleben. Auch wäre die Haptik bei einer solchen Kiste ansprechender. Eine weitere LP hat angegeben, dass die Kosten der Materialkiste sehr hoch seien. Bei einer LP war bezev im Rahmen einer Projektwoche bei der Anwendung der Module anwesend und hat auch die Materialkiste mitgebracht. So wurden die Materialien von den Kindern der Schule verwendet. Die Lernerfahrung wie auch die Anwendung wurde insgesamt als gut empfunden, auch wenn an der Schule z.B. kein Kind mit Seheinschränkungen vorhanden war.

Zwei LP gaben an, dass das Bildungsmaterial „toll“ gestaltet, jedoch die Verwendung einer CD nicht mehr zeitgemäß sei, da viele Laptops kein CD-Laufwerk mehr haben. Ein USB-Stick oder eine Cloud-Ablage im Internet wurde als mögliche Alternative erwähnt. Die LP die bei Fortbildungen den Lehrer*innen Bildungsmaterial vorstellt und darüber hinaus Zugang zu Bildungsmaterial für Lehrer*innen des Landes Rheinland-Pfalz zur Verfügung stellt, merkte an, dass ein öffentlicher und kostenfreier Zugang zu den Materialien optimal wäre. Es sei sehr gutes Material, welches sie jedoch nicht auf dem Bildungsserver des Landesinstituts hochladen könne. Die LP nannte hierfür einige Vorschläge: 

  • beispielsweise Landeslizenzen verkaufen, da diese auch gut als Sondermittel gekauft werden können
  • Bildungsmaterial als OER (OER steht für Open Educational Resources und meint Bildungsmaterialien, die unter einer offenen Lizenz veröffentliche, werden und somit frei und kostenlos zur Verfügung stehen. Sie können kostenlos benutzt, weitergegeben und bearbeitet werden) zugänglich machen oder generell die Materialien digitalisieren, dann können die Lehrer*innen ihren Schüler*innen die Arbeitsblätter digital zukommen lassen und diese können die PDFs dann ausfüllen. 

Sie verweist darauf, dass dies dann natürlich auch digital inklusiv zugänglich sein müsste. Darüber hinaus nannte sie die Schwierigkeit Copyright geschütztes Material in einer Online-Fortbildung zu verwenden. 

Inhaltliche Kriterien: 

Komplexität wurde den Meinungen der LPs nach weitgehend gut auf die Zielgruppe angepasst. Die Erwähnung von virtuellem Wasser in der Grundschule überraschte, jedoch verstanden die Schüler*innen die Inhalte anhand der verwendeten Beispiele gut. Allerdings empfinden die LPs es auch als schwierig, genau einschätzen zu können, wie umfangreich die Schüler*innen das Thema wirklich verstanden haben. Die LP kann erfahren, was die Schüler*innen gelernt und mitbekommen haben, eine spätere Umsetzung jedoch ist schwierig zu überprüfen. Eine LP erwähnte, dass die Komplexität an einer Stelle vielleicht etwas zu sehr reduziert wurde. Hier genannt wurden die Briefe der Kinder aus Burkina Faso, die auf Deutsch verfasst wurden. Es wurde nicht erwähnt, dass die Hauptverkehrssprache in Burkina Faso nicht Deutsch ist, sondern eine Vielzahl von Sprachen. Ebenfalls erwähnte eine andere LP, dass die Komplexität bei der Karte bezüglich des Wassermangels ebenfalls zu sehr reduziert worden sei. Deutschland wird allgemein als Land mit Wasserüberschuss angezeigt, jedoch gebe es in einigen Regionen ebenfalls Wassermangel. Ansonsten sei die Komplexität für das Grundschulniveau angemessen. 

Durch die aufgezeigten Lebensmittel-Beispiele können die Schüler*innen einfach Bezüge zur eigenen Lebenswelt ziehen. Das Material sei gut strukturiert. Die Kinder werden „im Hier und Jetzt“ abgeholt, dann folge ein Blick über den Tellerrand und anschließend würden Rückschlüsse zum eigenen Leben und Handeln gezogen. Thematisierte lokale Sachverhalte können somit in den globalen Kontext eingeordnet werden. Eine LP gab die Rückmeldung, dass viele globale/lokale Lebensweltbezüge auch schon in Europa, nicht erst im Vergleich zu Afrika oder Lateinamerika erkennbar sind. Länder des Globalen Südens werden oft als Beispiel verwendet, jedoch könnte den Schüler*innen auch übermittelt werden, dass auch in Europa beispielsweise in der Gemüse und Obstproduktion die Arbeitsbedingungen oft schlecht sind. Um solche Aspekte aufzuzeigen, ist die Erdbeere vielleicht weniger weit entfernt als die Schokolade. 

Auch bietet das Bildungsmaterial mehrperspektivische Betrachtungsweisen an. Die Schüler*innen können durch die Beispiele ihre Perspektive wechseln und erhalten einen Eindruck aus der Sicht von Menschen aus Ländern des Globalen Südens. Dies sei bei anderen Bildungsmaterialien nicht allzu oft gegeben. Auf einem für die Kinder angepassten Niveau werden auch ökonomische, soziale, politische und ökologische Perspektiven dargestellt. Eine LP verwies darauf, dass auch noch weitere Perspektiven aus dem Globalen Norden aufgezeigt werden könnten (Bsp. Wasserprivatisierung in den USA). 

Soziale Umstände werden als momentane Tatsache dargestellt, die jedoch durch eine Veränderung des eigenen Konsumverhaltens als gestaltbar erlebt werden. Sie werden nicht als natürlich gegeben präsentiert. Eine LP verwies darauf, dass die Ursprünge, wieso soziale Umstände aktuell so sind, nicht aufgezeigt werden, dass dies vermutlich jedoch für die Altersklasse zu früh und unverständlich wäre. Es könne eventuell eher zu einer Überforderung beitragen, so die LP. 

Diskriminierungen sind in keiner Form aufgefallen. Eine LP hat jedoch darauf hingewiesen, dass afrikanische und lateinamerikanische Länder oft als Vergleich verwendet werden und so stereotype Bilder in den Köpfen der Kinder entstehen könnten. Es sollte versucht werden die Welt so abzubilden, dass bestimmte Bereiche nicht karikiert werden. Als Idee wurde erwähnt, auch mal den Reichtum in Ländern wie Südafrika aufzuzeigen. Die Kindernamen sind an das heutige heterogene und multikulturelle Deutschland angepasst. 

Alle abgefragten BNE-Aspekte sind in dem Bildungsmaterial vorhanden und erkennbar. Je nach Modul wird der Fokus auf einen anderen Aspekt gelegt. Durch das Material wird ausreichend Wissen vermittelt, es werden Handlungsoptionen aufgezeigt und auch die Vermittlung von Kompetenzen, um verantwortungsvoll zu handeln, sei gegeben. Durch die globale Perspektive werden Empathie und Perspektivwechsel ermöglicht. Eine LP verdeutlicht, dass gerade Mitverantwortung und die eigene Rolle in der Welt zu erkennen, vor allem bei Ausflügen z.B. zu einer Kläranlage gut vermittelbar sind. Die LP, die sich dem Material eher theoretisch genähert hat, gab an, dass neben Umweltaspekten, die sehr wichtig für BNE sind, zu wenig andere BNE Aspekte (Soziales, Politik, Wirtschaft) bezüglich eigener Handlungsmöglichkeiten betrachtet wurden. Auch hätte sie sich in diesem Sinne eine Klärung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ gewünscht, um auch Nachhaltigkeit im Sozialen, Politik und Wirtschaft in das Bildungsmaterial besser mit einbringen zu können.

Die Anschlussfähigkeit wird vor allem in den Fächern Sachkunde, Religion, Ethik, Deutsch, Kunst und Mathematik gesehen. In den Klassenstufen 5+6 auch in naturwissenschaftlichen Fächern, Erdkunde, Geografie, Politik oder Kochen. Fachübergreifendes Lernen ist durch das Material gut möglich und gerade in der Grundschule gut umsetzbar. Bei den höheren Klassen ist dies schwieriger, da meist die Inhalte zum Lehrplan passen müssen. Hier wird sich von der LP, die Fortbildungen für Lehrer*innen gibt, eine größere Passung zwischen Material und dem Thema BNE/Nachhaltigkeit und den Lehrplänen gewünscht, damit die Materialien breiter verwendet werden können. Es wurden umfangreiche Bezüge zu nationalen und internationalen Bildungsprogrammen erkennbar. 

Didaktisch-methodische Kriterien

Lernziele und Lernprozesse konnten durch die Materialien gut mit den Kindern besprochen werden, auch wenn viele LP angaben, dies auf eine eigene Art und Weise gemacht zu haben (Mind-Map an der Tafel, abfragen was sie schon wissen, was sie lernen wollen). Durch die Tabelle zu Beginn jedes Moduls, die aufzeigt, was gelernt werden soll und welche Kompetenzen entstehen können, wird ersichtlich, welche BNE-Kompetenzen bei welchem Modul angesprochen werden. Gerade Kompetenzen wie Partizipation und Mitgestaltung, kritischen Reflexion und persönliche Haltung, können demnach durch das Material gewonnen werden. Bei Partizipation und Mitgestaltung wurde genannt, dass dies eher auf der persönlichen als auf einer gesellschaftlichen/politischen Ebene aufgezeigt bzw. als Kompetenz vermittelt wird. Handlungskompetenzen konnten auch erlernt werden, wobei hier einige LP darauf verwiesen, dass es der Altersgruppe schwer fällt Handlungsalternativen selbstständig herauszufinden. Hier benötigen die Kinder Unterstützung in Form von Anleitung und Ideen, wie sie Dinge in ihrem Alltag oder an der Schule ändern können. Durch den inklusiven Anspruch des Materials konnten alle Kinder ihren Platz während der Bearbeitung finden, so dass ein wertschätzender Umgang miteinander entstand. Handlungsorientierte Aufgaben waren gut geeignet Partizipation und Mitgestaltung inklusiv zu fördern. Auch eine eigenständige Haltung zu entwickeln, wurde als eine BNE-Kompetenz gesehen, die mit dem Material gut inklusiv gefördert wird. Die Problemlösekompetenz gestaltete sich eher als schwierig, inklusiv zu fördern, genauso wie die Analyse des globalen Wandels. Für manche Unterstützungsbedarfe (z.B. Autisten) gestaltet sich wiederum vor allem der Perspektivenwechsel als schwierig. Ansonsten waren auch Empathie und der Perspektivwechsel für Kinder mit verschiedenen Unterstützungsbedarfen gut möglich. Die drei Lernzielbereiche kognitiv, affektiv und sozial seien somit umfangreich abgedeckt. 

Inklusive Kriterien

Die formale Gestaltung der Adaptionen ist gut gelungen. Allerdings waren bei den LP kaum Kinder mit dem Unterstützungsbedarf Sehen und Wahrnehmen oder Hören und Kommunikation anwesend. Einige LP wünschten sich, dass die Adaptionen mehr Grafiken und Bilder oder auch Audios und Videos beinhalten. Für manche Kinder ist es sehr schwierig Informationen aus Texten zu entnehmen und zu verstehen. Dies funktioniere bei Audios oder Videos besser. Sachverhalte müssten ganz einfach dargestellt werden, meinte die LP die als Schulleitung tätig ist, da das Niveau der Schüler*innen teilweise sehr niedrig ist. Tendenziell seien weniger Arbeitsblätter und mehr inklusive und handlungsorientierte Aufgaben gefordert, da so die Handlungskompetenz besser entwickelt werden kann und diese als sehr wichtig empfunden wird. Vor allem an eher textlastigen Stellen war dieser Wunsch nach einer stärkeren Handlungsorientierung entsprechend größer. Als differenzierter Lösungsweg wurde vorgeschlagen, Adaptionen nicht unbedingt von der Komplexität zu reduzieren, beispielsweise bei den Abbildungen, sondern Hilfen anzubieten, um sich dem Gegenstand langsam anzunähern. Beispielsweise könnte ein Bild mit unterschiedlichen Fragen erschlossen werden oder in Form eines Rasters angeboten werden, indem Teile des Bildes nacheinander angeschaut werden. So könnten alle Kinder immer noch am gleichen Bild arbeiten und die Lehrer*in müssen nicht verschiedene Arbeitsblätter austeilen. Auch wurde angemerkt, dass die Adaptionen zwar Möglichkeiten zum selbstständigen Bearbeiten liefern, jedoch tendenziell viele Aufgaben in der Grundschule für Kinder noch nicht selbsterklärend seien.  

Die Adaptionen bieten für die Lehrer*innen eine sehr gute Ausgangslage an, um selbstständig Veränderungen zu tätigen. Denn meist müssten die Materialien von den Lehrer*innen entsprechend angepasst werden, da die Kinder wie auch die Ausprägungen der Unterstützungsbedarfe zum Teil sehr individuell seien. Auch die Themen der Module würden nicht zu jeder Klasse passen - das müsse jede Lehrkraft immer individuell betrachten. Eine LP merkte an, dass OER-Materialien leichter zu verändern seien als dieses Bildungsmaterial. 

Gerade im inklusiven Bereich waren für die LP vor allem die Aufgaben interessant, die gemeinsam bearbeitet werden konnten. Die seien Gruppenarbeiten, Dinge erstellen, sich im Raum positionieren, Diskussionen führen, sich gegenseitig Fragen stellen und Feedback geben. Kinder können sich hierbei auch gegenseitig helfen - oft kamen stärkere und schwächere Kinder in einer Gruppe zusammen. Handlungsorientierte Aufgaben, die auch nicht zu viele Materialien benötigen oder solche, die im Alltag leicht und schnell besorgt werden können, wurden als empfehlenswert angegeben. 

Die externen LP haben meist das Material nicht im Ganzen, sondern nur einzelne Module, die passend zu ihren Projekten waren, verwendet. Sie adaptieren deshalb immer Bildungsmaterial so, wie es für sie passt. Auch ließen sie meist die Lehrer*innen die Entscheidung bezüglich der Adaptionen treffen lassen. Somit hatten die externen LP keinen Einfluss darauf, welches Kind welche Arbeitsblätter bzw. Adaptionen erhalten hat. Die LP, die als Lehrerinnen arbeiten, verwenden die Module meist umfangreicher und die Aufgaben der Arbeitsblätter in ihrer angedachten Form (Gruppengröße etc.). Ebenfalls verwenden sie die Adaptionen individuell für die Kinder. 

Die LP gaben an, das weitergehende Aktivitäten und Projekte gut durch das Material angeregt werden könnten, leider war dies aber nicht oft der Fall bzw. die externen LP wissen nicht genau, ob und was die Klassen/Schulen anschließend mit dem Wissen und den Kompetenzen weitergehend gearbeitet haben. Die befragten LP geben an, dass Lehrer*innen, die mit dem Material arbeiten, ein größeres Methodenrepertoire auch im Umgang mit den verschiedenen Unterstützungsbedarfen erhielten. 

Zum Ende des Interviews wurden die Personen befragt, ob anderweitige inklusive BNE Materialien bekannt seien. Dies wurde verneint. Es gäbe viele gute BNE-Materialien als OER, allerdings sind diese bisher nicht inklusiv. Gerade das inklusive Angebot der Bildungsmaterialien von bezev führe dazu, dass die Materialien von den LPs gekauft wurden. Auch die Übersicht über die verschiedenen Unterstützungsbedarfe und die verschiedenen didaktischen Hinweise wurden als Grund für den Kauf der Materialien genannt. Eine weitere Rückmeldung bestand darin, dass viele Lehrerkräfte Bedenken haben, so komplexen Themen wie BNE im Unterricht zu anzugehen. Die Materialien von bezev verdeutlichen, dass dies aber gut inklusiv möglich sei. 

 

Echt gerecht?!

Das Material „echt gerecht?!“ haben zwei der sechs LP verwendet. Die Rückmeldung hierzu war denen zu „Blaues Wunder“ recht ähnlich. Deshalb werden im Folgenden nur die Punkte erwähnt, welche die Rückmeldungen zu „Blaues Wunder“ ergänzen oder ihnen konträr gegenüberstehen. Ebenfalls fließt hierbei die Auswertung der Masterarbeit mit ein. Die Verfasserin der Masterarbeit hat sich dem Bildungsmaterial mithilfe eines Kriterienkatalogs aus theoretischer Sicht gewidmet.

Die LP, die auch an einer Schule tätig ist, empfand das Niveau des Bildungsmaterials für die Klassen 1+2 sehr hoch. In dieser Altersstufe bieten sich die handlungsorientieren Module zu Banane und Schokolade an, müssten vielleicht jedoch nochmal vereinfacht werden. In der Klasse 3+4 hätten die Module Handel und Kleidung gut funktioniert. Die andere LP arbeitet als externe Bildungsreferentin und hat bisher nur das Modul Schokolade angewendet. Sie meinte, dass auch die Jahrgangsstufen 5+6 mit dem Material angesprochen werden. Laut dem Ergebnis der Masterarbeit sollen mindestens zwei Module des Bildungsmaterials bearbeitet werden, damit die Schüler*innen die Komplexität globaler Zusammenhänge wirklich erfassen können.

Die Materialkiste wurde nicht bestellt. Die Gestaltung des Bildungsmaterials wurde von der externen LP kritisiert. Sie würde sich, für das gemeinsame Arbeiten am Modul Schokolade Bilder wünschen, die anschaulicher, bunter und kindgerechter sind. Die Wortwahl wird dagegen als angemessen empfunden. Die Texte bei den E-Mails der Kinder wurden als etwas zu lang für die jüngeren Jahrgangsstufen, für die älteren Kinder oder zur Steigerung der Lesekompetenz jedoch als gut empfunden. 

Die BNE-Aspekte waren überwiegend gut vertreten. Die Verfasserin der Masterarbeit formuliert die Anregung, die Wechselwirkungen verschiedener Perspektiven noch stärker zu betonen. So können die Schüler*innen Zusammenhänge und gegenseitige Einflussnahmen umfangreicher nachvollziehen. Als Beispiel wurden soziale Aspekte benannt, die sich durch eine ökonomische Verbesserung ebenfalls positiv beeinflussen ließen. Darüber hinaus empfand sie es als angemessen, dass die Lebensbedingungen der Kinder im Globalen Süden unterschiedlich dargestellt wurden (z.B. konventionelle vs. Faire Trade Plantage). Dem entgegengesetzt sind die Lebensbedingungen in Deutschland zu vereinfacht wiedergegeben. Die Autorin verdeutlicht, dass auch hier Kinder zum Teil arbeiten oder ihren Eltern helfen müssen. Auch seien recht wenig Reflexionsmöglichkeiten für die Kinder in den einzelnen Modulen vorgesehen. Es könnte somit häufiger auf die „echt gerecht?!-Mappe“ als Reflexionsinstrument verwiesen werden. 

Die externe LP kritisierte, dass die Handlungsorientierung zu wenig bedacht wurde. Erkennen und Wissen sei vorhanden, allerdings werden zu wenig lokale Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die als Gruppe oder als Einzelperson unternommen werden können. Inhaltlich wünschenswerte Bezüge, die jedoch gefehlt haben, sind für die LP Tipps und Informationen, wie man sich sozial und politisch engagieren kann. Ebenfalls bemängelte sie, dass der soziale Lernzielbereich im Material zu wenig abgedeckt sei. Die Autorin der Masterarbeit kritisiert, dass keine expliziten Bezüge zu den SDGs benannt sind und so die Lehrer*innen diese Schlüsse gegebenenfalls selbst ziehen müsse. Die Anschlussfähigkeit bei den Grundschulen wird in den Bereichen Sachunterricht, Kunst, Deutsch, Ethik und Religion gesehen. Bei den Klassenstufen 5+6 auch in den Fächern Geschichte und Geografie. Allgemein bieten sich auch Projektwochen für eine Umsetzung an. Das Bildungsmaterial gibt allerdings zu wenig Hinweise darauf, wie fächerübergreifendes Lernen mit dem Material möglich ist. 

Gerade das Modul Schokolade und die darin beinhaltete Schokoladenherstellung und das Schokoladenspiel bieten sich sehr gut für eine inklusive Umsetzung an. Hierbei könnten die BNE-Kompetenzen gut inklusiv gefördert werden. Alle BNE-Kompetenzen, mit Ausnahme der Handlungsfähigkeit, können, laut der externen LP, durch das Material entwickelt werden. 

Selbstständige Anpassungen wurden zum Teil vorgenommen, beispielsweise indem die Gruppengröße verändert wurde. Auch wurde durch die Verfasserin der Masterarbeit angemerkt, dass für die Kinder mehr Optionen (z.B. Malen, Schreiben, Dialog) bezüglich der Präsentationsformen von Ergebnissen hilfreich wären. Ebenfalls mussten einige Daten aktualisiert werden. Es wurde kritisiert, dass Daten teilweise von 2011 waren und der Druck von 2016. Ebenfalls wurde das DWP Siegel falsch benannt (DWP: früher Dritte Welt Produkte, nun Eine Welt Produkte). Bei der individuellen Wahl der Adaptionen für die einzelnen Kinder hat die externe LP auf die Lehrer*in vertraut und es wurde wohl meist nur ein Adaptionsarbeitsblatt für die ganze Klasse verwendet. Die externe LP hat das Material so adaptiert, dass es eine größere Handlungsorientierung aufweist. So wurden mit den Klassen und Schulen weitergehende Aktivitäten initiiert oder Informationen und Anregungen hierfür an die Hand gegeben (Faire Schokolade in der Schule verkaufen, das Lehrer*innenzimmer mit fairen Lebensmitteln ausstatten, Kleidertauschparty). Darüber hinaus empfiehlt sie vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten, damit die Materialien auch weniger textlastig sind (Theaterpädagogik und Pantomime: Lied der bunten Vögel/ aha Bildung). Solche Ansätze müssten dann für die Pädagog*innen gut aufgearbeitet werden, damit diese die Materialien leicht im Unterricht anwenden können. 

Die LP, die auch als Schulleitung tätig ist, hat zurückgemeldet, dass „echt gerecht?!“ einen Beitrag im Sinne einer Verankerung von inklusiver BNE als Aufgabe der ganzen Schule leisten kann. Beispielsweise wurde während einer Projektwoche an der Schule das Bildungsmaterial mithilfe von bezev umgesetzt. Diese Zusammenarbeit mit dem Verein stellt im Sinne des Whole School Approach eine Vergrößerung der Netzwerke der Schule sowie eine Umsetzung auf Unterrichtsebene dar. 

 

Fazit: Anregungen und Rückmeldungen (zum Teil nur von einzelnen LP geäußert)

  • Textmenge für die Lehrenden könnte reduziert oder übersichtlicher in Form von Stichpunkten aufgezeigt werden (viele Sachinformation für zu wenig Zeit diese im Alltag zu lesen). 
  • Textmenge und Wortwahl für die Kinder zum Teil zu schwer und zu lang, hier könnten weitere technische Hilfsmittel die Textlastigkeit reduzieren und ebenfalls Sachinformationen liefern (Audios, Videos, Musik, die während dem Projekt gespielt werden kann und im Ohr bleibt).
  • Weniger „Arbeitsblätter“ noch mehr handlungsorientierte Aufgaben/Anregungen, um konkret aktiv zu werden und als Gruppe oder als einzelne Person handeln zu können. Mehr Ideen benennen, wie aus dem Erkennen und Bewerten Handlungen entstehen können.
  • Nicht immer die gleichen Beispiele und Vergleiche für Länder des Globalen Südens verwenden. Bsp. auch die Wasserknappheit und Arbeitsbedingungen in Europa/Nordamerika aufzeigen. 
  • Kennzeichnen, wenn und erklären, warum Komplexität reduziert wird (angeben, dass beim Brief und Mail-Kontakt von Kindern aus dem Globalen Süden die Sprache verändert wurde).  
  • Mehr Anschlussmöglichkeiten an die Lehrpläne der Bundesländer ist gewünscht, damit BNE/Nachhaltigkeit in der Schule mehr Einzug erhält   

Anregungen, um die Materialien anders zur Verfügung zu stellen: 

  • Anstatt einer CD einen USB-Stick oder eine Cloud benutzen 
  • Generell überlegen, ob das Material nicht auch als OER verfügbar sein kann 
  • eventuell Länderlizenzen vergeben, damit die Materialien auf den jeweiligen Bildungsservern hochgeladen werden können, um dann für alle Lehrpersonen eines Bundeslandes zur Verfügung zu stehen
  • Inklusive digitale Materialien erstellen, Arbeitsblätter als PDFs zum Ausfüllen anbieten, dann können die Schüler*innen die Arbeitsblätter auch von zu Hause bearbeiten

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